Vor Ort Einsatz in der Türkei und Online-Beratung: im Gespräch mit Managerin Antje Göbbel

In der Türkei leben laut der WHO geschätzt 3,6 Millionen Flüchtlinge aus Syrien, viele davon in der Gegend um Çesme/Izmir. Ein großer Teil davon sind alleinerziehende Mütter mit ihren Kindern, da der Vater im Krieg ist oder im Ausland beispielsweise als Erntehelfer arbeitet. Die NGO IMECE hilft den Flüchtlingen in der Türkei unter anderem dabei eine wirtschaftliche Unabhängigkeit aufzubauen. Im „Solar Age Project“ sollen unter dem Motto „Energy for Everyone“ insbesondere geflüchtete Frauen Fertigkeiten zur Anwendung von Solar Energie erlernen.  

Im Februar 2020 übernahm Antje Göbbel für managerohnegrenzen das Projekt. Mit Antjes Hilfe soll die Produktidee der Organisation sowie die Machbarkeit einer Vermarktung überprüft und geplant werden. Auch Fragen wie die Erarbeitung einer konkreten Marketingstrategie sind gefragt. Der Einsatz war für zwei Monate geplant, musste aber im März wegen der weltweiten Corona Pandemie abgebrochen werden. Noch vor der kurzfristigen Abreise beschließt Antje mit dem Team von IMECE, die begonnene Arbeit weiterzuführen – online von Deutschland aus, mit digitalen Hilfsmitteln. Und so ist vor über einem Jahr das erste Online-Beratungs-Projekt von managerohnegrenzen gestartet. Wir haben mit Antje über ihren Einsatz und ihre Arbeit gesprochen. 

 

Antje Göbbel ist immer noch ehrenamtliche Mitarbeiterin bei managerohnegrenzen

Warum hast du dich dafür entschieden als Managerin ohne Grenzen in den Einsatz zu gehen?

Tatsächlich aus zwei verschiedenen Gründen. Zum einen ist die Idee von managerohnegrenzen für jemanden wie mich, die einen politikwissenschaftlichen und betriebswissenschaftlichen Hintergrund hat, sehr spannend. Zum anderen war ich schon vor sieben Jahren in einem Einsatz in Guatemala. Damals war ich in ein Projekt involviert, dass ich mit initiiert und auf den Weg gebracht habe und das einen ähnlichen Ansatz wie managerohnegrenzen verfolgt hat. Als ich danach auf die Stiftung gestoßen bin, habe ich diese nachhaltige Form der Zusammenarbeit wiedererkannt und war gleich von der Idee angetan. Ich wollte mir managerohngrenzen näher anschauen und dann bin ich auch in einen Einsatz gegangen. 

 

Hast du dich für das Projekt IMECE in der Türkei aktiv entschieden? 

Ja, ich habe mich aktiv für das Projekt entschieden und es war meine erste Priorität. 

Wie läuft das Projekt IMECE aktuell? Hattest du im Nachhinein nochmal Kontakt mit den Projektpartner*innen? 

Die Organisation IMECE hat weiterhin Bestand. Allerdings ist sie im letzten Jahr durch die Corona-Pandemie durch einige, schwere Entwicklungen gegangen. Im Nachhinein machen wir mit den Projektpartner*innen ein Follow-up und fragen nach sechs Monaten, wie sich das Business entwickelt hat.

„Solar Age Project“ IMECE Türkei
Die NGO IMECE unterstütz vor allem Frauen, die mit ihren Kindern flüchten mussten

Was war ein prägender Moment während deines Einsatzes? 

Ich glaube, da gab es zwei Momente. Die Organisation IMECE ist aus einem humanitären Kontext entstanden und während ich dort war, gab es Konflikte an der syrisch-türkischen Grenze. Ich habe live mitbekommen, wie sich diese Flüchtlings- und Wanderbewegung in Gang gesetzt haben. Das vor Ort mitzuerleben und nicht nur in den Fernsehnachrichten zu sehen, war sehr berührend. Es war auch sehr bewegend zu sehen, wie die Idee der Solar Power Banks eine reale Möglichkeit für Flüchtende sein kann. Besonders Frauen vor Ort haben dadurch eine Erwerbsmöglichkeit. Es haben auch alle so viel Energie und Kraft in diese Idee investiert, das war wirklich sehr besonders. 

Du hast die Beratung vor Ort, als auch die Online-Beratung miterlebt – wie waren deine Erfahrungen? 

Die Beratungseinsätze offline und online waren sehr unterschiedlich. Vor Ort bekommt man einfach 360 Grad von dem Projekt mit, während die Online-Beratung eher auf einer Ebene stattfindet. Es fehlen gewisse Eindrücke und Emotionen, die man vor Ort anders erlebt. Ich glaube, gerade weil ich zuerst in der Türkei war, konnte ich das Projekt danach gut in die Online-Beratung überführen. Das Projekt IMECE war das erste Projekt, dass wir überhaupt online beraten haben, also unser Pilotprojekt. Im Endeffekt hat es den Grundstein gelegt. In der Online-Beratung braucht man mehr Geduld, da alles etwas langsamer vorangeht und die Möglichkeiten miteinander zu interagieren eingeschränkter sind. Es war trotzdem sehr spannend beide Seiten mitzuerleben und ich glaube, dass eine Kombination in Zukunft sehr sinnvoll sein kann.  

Solar Age - Imece Inisiyatifi
Im „Solar Age Project“ sollen geflüchtete Frauen Fertigkeiten zur Anwendung von Solar Energie erlernen.

Was hast du mitgenommen aus deiner Zeit als Managerin ohne Grenzen? 

Durch den Einsatz vor Ort und in der online Zusammenarbeit, habe ich miterlebt, wie unterschiedlich Herangehens- und Denkweisen in verschiedenen Kulturen sein können. Am Ende des Tages können beide zum gleichen Ziel führen. In Deutschland haben wir durch unsere Schulbildung, Ausbildung, Studium und später durch die Arbeit eine ganz andere Arbeitsweise. Wir sind meist schnell getaktet, sehr zielorientiert und an greifbaren Ergebnissen interessiert. Und genau hier muss man bereit sein die Art und Weise, wie man Dinge angeht, aufzubrechen. Das habe ich nochmal auf einer ganz neuen Ebene erfahren.

Würdest du den Einsatz als Manager*in ohne Grenzen weiterempfehlen? 

Ja, ich würde den Einsatz auf jeden Fall weiterempfehlen! Wenn in Zukunft wieder die Beratung vor Ort möglich ist, sollte man sich dann genau überlegen, welche Einsatzart für einen am besten geeignet ist. Und wie gesagt, im besten Fall können wir ein Zusammenspiel aus der online und offline Beratung anbieten. 

Danke Antje, für das spannende Gespräch!